Skip to content
DE 

SHARE:

Solomon Philip ist Leiter der Abteilung Market Intelligence bei Shift Technology

In einem kürzlich erschienenen Blogbeitrag zu Shift Market Forces haben wir uns mit den Auswirkungen der wirtschaftlichen Unsicherheit, die aus zahlreichen Quellen herrührt, auf das Ergebnis eines Versicherers beschäftigt. Obwohl diese makroökonomischen Probleme die Versicherungsbranche weltweit betreffen, konzentrierten sich unsere ersten Erkenntnisse vor allem auf den nordamerikanischen Markt. Aber was passiert in Europa, insbesondere auf dem Markt für Ersatzteile? Warum sollte das die Versicherer interessieren? Und wie können sie das Potenzial der künstlichen Intelligenz (KI) nutzen, um ihr Ergebnis zu verbessern? 

Höhere Komplexität = höhere Kosten

Die in Europa aktiven Versicherer sehen sich einer Reihe von aufeinander wirkenden Kräften gegenüber, die den Ersatzteilmarkt umgestalten und damit die Geschäftskosten der Versicherer in die Höhe treiben. Pkws werden immer komplexer, da fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme (ADAS) und sogar autonomes Fahren (AD) zunehmend zur Standardausstattung gehören. Und wenn derart ausgestattete Fahrzeuge in einen Unfall verwickelt werden, kostet die Reparatur entsprechend mehr. Bei Fahrzeugen mit Lidar-Funktionen der Stufe 2+ belaufen sich die Mehrkosten für die Reparatur nach Schätzungen der Branche auf 1.300 bis 1.800 Euro allein für Ersatzteile. Bei Fahrzeugen mit Optionen der Stufe 3 (L3) und 4 (L4) sind es natürlich noch mehr. Darüber hinaus kommt zu Kosten für Ersatzteile noch der zusätzliche Arbeitsaufwand hinzu, der erforderlich ist, um diese Technologien für einen ordnungsgemäßen Betrieb zu kalibrieren.

Regionale Konflikte, neue Vorschriften und die Lieferkette

Es steht außer Frage, dass der Ukraine-Konflikt zu Problemen in der Logistik und der Zulieferkette sowie zu Engpässen bei wichtigen Fahrzeugkomponenten in ganz Europa geführt hat. In vielen Fällen ist dies darauf zurückzuführen, dass die osteuropäischen Länder wichtige Zulieferer für die in Westeuropa ansässigen Fahrzeughersteller sind. Die Marktkonsolidierung, die sich seit 2005 in etwa 65 Fusionen und Übernahmen niedergeschlagen hat, lässt die Zahl der Zulieferer weiter schrumpfen. Zusammengenommen treiben diese Faktoren den Preis für Teile immer weiter in die Höhe.

Ebenso wichtig ist, dass die EU plant, den Teilemarkt zu öffnen, indem sie die Beschränkungen für die Hersteller aufhebt, so dass diese mit allen gewünschten OEMs zusammenarbeiten können. Wenn die Hersteller nicht mehr an bestimmte OEMs gebunden sind, können sie ihre Produkte unabhängig von künstlich festgelegten Preisspannen anbieten, die durch staatliche Vorschriften geschaffen wurden. Dies wird unweigerlich zu noch höheren Preisen für Ersatzteile führen.

Über den Preis der Teile hinaus


Es ist wichtig, daran zu denken, dass sich die Gesamtkosten von Kfz-Schäden nicht nur auf die Preise der Teile beziehen. Engpässe können die Reparaturzeiten verlängern, weil ein benötigtes Ersatzteil möglicherweise nicht sofort verfügbar ist oder es länger als üblich dauert, bis es in der Werkstatt eintrifft. In einem solchen Umfeld ist es sinnvoll, mit einem längeren Schadensregulierungszyklus zu rechnen. Dies verzögert nicht nur die Zahlung von Entschädigungsleistungen und verärgert die Kunden, sondern führt auch dazu, dass Mietwagen für einen längeren Zeitraum benötigt werden, was die Gesamtkosten des Versicherers erhöht. In einigen Teilen Europas stiegen die Mietwagenkosten zwischen 2020 und 2022 um fast 200 %.

Was können Versicherer tun?

Die gute Nachricht in diesem Klima steigender Preise und längerer Schadensregulierungszyklen ist, dass es eine Reihe von Strategien gibt, die Versicherer umsetzen können, um die Auswirkungen dieser Faktoren abzumildern, wobei viele von ihnen auf dem Potenzial von KI basieren. Wie bereits erwähnt, sind moderne Fahrzeuge mit komplexen Telematiksystemen ausgestattet, die mit Hilfe von Sensoren, Kameras und LIDAR-Technologien nahezu jeden Aspekt des Fahrerverhaltens aufzeichnen können. Telematikdaten können von den Versicherern genutzt werden, um über die traditionell verfügbaren Unfalldatenquellen wie Polizeiberichte und Zeugenaussagen hinaus zusätzliche Anhaltspunkte zu liefern, die für die Rekonstruktion des Unfallgeschehens erforderlich sind. Telematikdaten können in Verbindung mit den neuesten KI-gestützten Schadensbewertungstechnologien die Modelle zur Betrugserkennung verbessern und die Genauigkeit bei der Ermittlung der Haftung und des Schadensumfangs infolge eines Unfalls erhöhen.

Darüber hinaus können die Versicherer KI nutzen, um den Zeitraum von der Schadenerstanlage bis zur Regulierung zu verkürzen. Die Fähigkeit, Schadensfälle, die für eine Dunkelverarbeitung geeignet sind, genau, sicher und fair zu identifizieren, kann die Kosten für die Schadensregulierung senken, indem die Bearbeitung von Forderungen beschleunigt wird. Die Entscheidung über die Regulierung eines potenziell teuren Schadens kann den Versicherern jährlich Hunderttausende von Euro sparen. Dieses Konzept kann auch auf Schadensfälle angewendet werden, die ein menschliches Eingreifen erfordern. Durch die automatische Identifizierung, Segmentierung und Übertragung komplexer Schadensfälle an die erfahrensten Sachbearbeiter wird sichergestellt, dass der richtige Sachbearbeiter - derjenige, der den Schadensfall am effizientesten abschließen kann - mit der Aufgabe betraut wird. Ein KI-gestützter Entscheidungsfindungsprozess für Schadensfälle ist speziell darauf ausgelegt, die Art des Schadensfalls, seine Komplexität und das Risiko für den Versicherer zu untersuchen, um schnell den besten Schadenbearbeiter für den Fall zu finden und ihm den Schaden automatisch zuzuweisen.

Schließlich kann KI den Versicherern dabei helfen, ein Netz von „vertrauenswürdigen Dienstleistern” zu identifizieren und aufzubauen, die in der Vergangenheit bewährte Verfahren angewendet haben, die zu qualitativer Arbeit, optimierten Preisen und effizienten Reparaturzeiten führten. KI kann darüber hinaus helfen, Werkstätten ausfindig zu machen, die für die Verwendung von „Grünen Teilen” bekannt sind, d. h. von qualitativ hochwertigen gebrauchten oder recycelten Teilen, die neuen Teilen in nichts nachstehen, aber deutlich weniger kosten. Sobald dieses Netz aufgebaut ist, wird es einfacher, den Kunden diese Werkstätten zu empfehlen, was zu deutlich niedrigeren Schadenskosten führen kann. Viele Versicherer berichten, dass Einsparungen von 20 % oder mehr möglich sind, wenn Kunden in das Netz eingebunden werden.

Fazit

Versicherer wenden sich zunehmend KI-basierten Lösungen zu, um Prozesse und damit Ihr Geschäftsergebnis zu verbessern. Es hat sich gezeigt, dass die KI das Ausmaß des Schadens genau bestimmen und überzogene Forderungen aufdecken kann. KI kann Versicherern dabei helfen, Muster zu erkennen, die auf Schäden hinweisen, die eine hohe Wahrscheinlichkeit für Rechtsstreitigkeiten aufweisen oder langwierige medizinische Behandlungen nach sich ziehen. Außerdem kann sie derartige Fälle zur besonderen Beachtung durch die erfahrensten Sachbearbeiter vormerken. Die Versicherer können mithilfe von KI nicht nur schneller Regressmöglichkeiten erkennen, sondern auch potenzielle Rückforderungsbeträge abschätzen und die Wahrscheinlichkeit einer Rückforderung genau vorhersagen. Der Einsatz von KI in der Schadensregulierung, von der Schadenerstanlage bis zur Regulierung, ist einfach der beste Weg, um den Prozess zu optimieren und das Geschäftsergebnis zu steigern.

Besonderen Dank an Emmanouil Aleiferis, Grady Behrens, Joanne Butler, Gareth Evans, und Tom Harrington für ihre unschätzbaren Beiträge zu diesem Blogbeitrag.

Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie Shift Sie bei der Einführung von KI unterstützen kann, um die wirtschaftlichen Herausforderungen der Versicherungsbranche zu meistern, dann setzen Sie sich noch heute mit uns in Verbindung